Appell an die Europaabgeordneten bzgl. Taxonomie

Von | 30.05.2022

Die EU-Kommission möchte Atomkraft und fossiles Gas als „nachhaltig“ klassifizieren. Das Europäische Parlament kann dieses Greenwashing noch stoppen, indem es die EU-Taxonomie-Verordnung ablehnt. Bei der Abstimmung Anfang Juli kommt es auf jede Stimme an. Daher appellieren wir vom Anti-Atom-Netz Trier an die Europaabgeordneten und fordern sie auf, im Juli gegen das Greenwashing von Atomkraft und Gas zu stimmen.

  1. Atomkraft ist keine erneuerbare Energie: Uran und Thorium, die auch für die sogenannten Reaktoren der vierten Generation unverzichtbar sind, sind ebenfalls fossile, nicht erneuerbare Energieträger.
  2. Es stimmt nicht, dass Atomkraft CO2-frei ist: Betrachtet man den gesamten Zyklus, von der Gewinnung radioaktiver Stoffe über den Bau der Anlage bis zu ihrer endgültigen Stilllegung, so liegt der CO2-Ausstoß pro erzeugter MWh bei etwa 100-150 kg, verglichen mit 600-1.200 kg bei herkömmlichen fossilen Brennstoffen, 45-90 kg bei der Photovoltaik und 15-25 kg bei Wind- und Wasserkraft (Quelle: Life cycle energy and greenhouse gas emissions of nuclear energy: A review, von Manfred Lenzen, ScienceDirect 2008).
  3. Die Risiken von Nuklearunfällen waren bereits schwerwiegend und katastrophal, wie die Super-GAUs von Three Miles Island (USA 1979), Tschernobyl (Ukraine 1986) und Fukushima (Japan 2011) gezeigt haben. Die Risiken werden durch großflächige Naturereignisse, die mit den bereits stattfindenden Klimaveränderungen in Verbindung gebracht werden können, weiter erhöht. Ein Super-GAU wird große Landstriche für Jahrhunderte unbewohnbar machen und eine humanitäre Katastrophe auslösen.
  4. Atommüll bleibt für Dutzende bis Millionen von Jahren radioaktiv, und es gibt weltweit noch immer keine angemessene und funktionierende Endlagerstätte. Die Gewährleistung von Kontrolle und Umweltsicherheit über einen so langen Zeitraum hinweg ist reine Utopie.
  5. Die Erzeugung von Energie aus Atomkraft ist doppelt so teuer wie die aus Photovoltaik. Kein Atomkraftwerk der Welt wird ohne öffentliche Mittel gebaut. Die Aufnahme der Atomkraft in die europäische “grüne” Taxonomie würde öffentliche Gelder von den echten erneuerbaren Energien abziehen und den laufenden positiven Prozess verlangsamen, der vielmehr beschleunigt werden muss, wenn wir die Ziele für 2030 und 2050 erreichen wollen.
  6. Die Atomenergie ist eine marginale Energiequelle: Sie macht lediglich ca. 10 % der weltweit erzeugten Elektrizität aus und deckt nur rund 2 % des globalen Energieverbrauchs. An diesem Anteil wird sich wenig ändern, wenn angesichts des Durchschnittsalters (≈ 35 Jahre) der derzeit in Betrieb befindlichen 440 Reaktoren “akzeptable” Sicherheitsstandards aufrechterhalten werden sollen, wenn die Menge der entstehenden Abfälle begrenzt werden soll und wenn die verfügbaren Brennstoffquellen nicht zu schnell erschöpft werden sollen.
  7. Die Aussicht auf “Mini-” und “Mikro”-Kernreaktoren ist sogar noch bedenklicher, weil sie zu einer Verbreitung unsicherer Anlagen im gesamten EU-Raum führen würde, was noch mehr Transporte des erforderlichen Urans zur Folge hätte und eine wirksame Kontrolle der radioaktiven Abfälle und somit die Gewährleistung der Sicherheit von Bevölkerung und Umwelt erschweren würde.
  8. Die 2001 begonnenen Studien über Reaktoren der vierten Generation haben bis heute keine nennenswerten Fortschritte gemacht, und es wurde auch noch kein Konzept zur Lösung aller oben genannter Probleme gefunden. Deutschland wird seine letzten Kernkraftwerke bis Ende 2022 abschalten.
  9. Die durchschnittliche Bauzeit für ein Kernkraftwerk beträgt 10 Jahre, so dass der Beitrag zur Erreichung der Energie- und CO2-Reduktionsziele für 2030 praktisch gleich Null ist.
  10. Die Weiterverbreitung von Kernenergie in einer von Kriegen und Konflikten geprägten Welt ermöglicht die Verteilung von Atomwaffen und spaltbaren und/oder radioaktiven Produkten, die für terroristische Zwecke verwendet werden können, mit sehr ernsten Folgen für die gesamte Menschheit. Sie schafft die technische Grundlage für spaltbares Material, das bei weiterer Verarbeitung potenziell für militärische Zwecke genutzt werden kann, in erster Linie von staatlichen Akteuren, die nach globaler oder regionaler “Größe” streben.